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Zu Besuch bei Slopestyler Max Mey

Zu Besuch bei Slopestyler Max Mey

„Wenn sich das Tor schließt, bist du frei“

In seinem eigenen Bikepark, Chesyland, baut Max selbst Sprünge und sitzt fast jeden Tag auf dem Bike. Wir haben ihn im Chesyland besucht und uns ein wenig wie Peter Pan im Nimmerland gefühlt – wo man nie erwachsen wird und alle Sorgen im Nu wie weggeblasen sind! 

Max, wie bist du zum Slopestyle gekommen?

Ich war vielleicht zehn oder elf Jahre alt. Peter Henke (Ex-Slopestyle-Pro und -Red-Bull-Athlet) kommt ja auch aus Ingelheim. Meine Freunde und ich haben gesehen, was er macht und wollten das nachmachen. Wir sind dann ziemlich schnell auf ihn zugegangen und irgendwann haben wir zusammen Sprünge gebaut, sind zusammen gefahren. Wir hatten wirklich eine coole Szene hier in der Ecke. Allerdings wurden uns die Sprünge im Bikepark schnell zu klein, eine Alternative musste her. So kamen wir schließlich zu dem Grundstück, das ich jetzt betreibe.

Welcher Contest oder welches Erlebnis ist dir ganz besonders in Erinnerung geblieben und warum?

Als ich 2013 zum ersten Mal in den U.S.A. und Kanada war. Pete und ich haben einen sechswöchigen Roadtrip von Contest zu Contest gemacht. Das waren die prägendsten Momente für mich. Zum ersten Mal auf der großen Show-Bühne (lacht), zum ersten Mal mit den „Big Boys“ wirklich große Kurse fahren … das hat mich damals schon ziemlich geflasht. Also nicht irgendein Sieg, sondern das Drumherum, das Erlebnis. Spätestens da wurde mir klar, dass ich das noch intensiver machen will.

Auf welchen Trick bist du besonders stolz? Was war die besondere Herausforderung daran?

Drei Jahre später war ich nochmal in den USA und habe einen Windshield Wiper gemacht, das ist der Opposite Tailwhip to Regular Tailwhip, den hatte vorher noch niemand in einem Contest gemacht. Ich habe ihn dann auf dem Colorado Freeride Festival geschafft. Die Schwierigkeit ist, dass man das Fahrrad in der Luft einmal in die eine Richtung dreht, stoppt und nochmal in die andere Richtung dreht. Ich glaube, das hört sich schon kompliziert genug an (lacht). Das ist ein Trick, der eigentlich nicht für den Wettkampf gemacht ist, weil er zu viel Risiko beinhaltet, aber er hat geklappt. Das war ziemlich cool.

Wie gehst du vor, wenn du einen neuen Trick lernen willst?

Am besten trainiert man mit einem Bagjump, einem großen Luftkissen, da ist die Verletzungsgefahr am geringsten. Wenn sich ein Trick während dem Fahren ergibt, dann ist das eher eine Erweiterung oder eine Ausführungsvariation. Wenn man aber einen Trick angeht, der über Kopf führt oder eine komplett neue Rotation beinhaltet, muss man sich das natürlich vorher im Detail überlegen. Das heißt, ich visualisiere genau, was ich machen will und versuche es anschließend bestmöglich umzusetzen. Im Idealfall filme ich die Versuche und kontrolliere, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Und wenn es den Trick schon gibt, hole ich mir natürlich auch von anderen Fahrern Inspiration.



Chesyland, benannt nach Eigentümer Chesy, ist viel mehr als nur irgendein Bikepark. Was bedeutet dein Homespot für dich?

Für mich ist dieses Gelände das absolute Paradies, etwas Besseres hätten wir nicht finden können. Klar, einerseits ist es ein Job, weil ich den Bikepark quasi alleine manage, andererseits die totale Erfüllung. Dort kann ich mich zu hundert Prozent ausleben. Ich kann genau das machen, was ich will; niemand gibt mir vor, was ich zu tun oder zu lassen habe. Ich habe alle Freiheit – nicht nur fahrerisch, sondern auch baulich, und das ist ein ganz großer Part von mir. Ich liebe es, Sprünge selbst zu bauen.

Neben den aus Holz gezimmerten Rampen und Sprüngen findet man auf dem Gelände Hütten, Teiche, die „Villa Duck“, in der die Enten brüten, eine Mini-Skaterampe im Pavillonzelt, einen selbstgebauten Pizzaofen … Chesyland wirkt wie ein Abenteuerland, das Nimmerland aus „Peter Pan“, wo Kinder fliegen können und niemals erwachsen werden. Bleibt man in Chesyland auch immer Kind?

(Lacht) Ja, das kann ich so unterschreiben. Als Kind probiert man Dinge aus, probiert sich an Sachen, genießt die totale Freiheit und vergisst alles, was um einen herum passiert. Genauso fühlt man sich auch in Chesyland. Wenn sich das Tor hinter dir schließt, bist du frei.



Chesy sagt: „Das hier ist Chaos. Etwas Besseres als Chaos gibt’s nicht, weil du dich jeden Tag überraschen lassen kannst.“ Du scheinst aber Vieles fast perfektionistisch anzugehen. Beherrschst du das Chaos?

Ich habe schon eine genaue Vorstellung von dem, was ich machen will und arbeite auf diesen Punkt hin. Ich will immer das Beste von mir selbst werden und weiß, das kann ich nur durch Disziplin erreichen. Aber gleichzeitig ist auch das Chaos wichtig, um neue Inspiration zu finden und kreativ zu werden. Von daher ist ein Mittelding aus beidem für mich perfekt.

Was ist für dich die Kunst beim Bauen?

Am befriedigendsten ist es, wenn man etwas Neues baut und es auf Anhieb genauso funktioniert, wie man es sich vorgestellt hat. Aber natürlich verbessert man immer wieder Kleinigkeiten. Ein Sprung ist nie perfekt für mich. Mit dem fahrerischen Können verändern sich auch die Sprünge, die Landungen, die Absprünge … sie genau an mein Können und Empfinden anzupassen, macht mir so viel Spaß. Bauen beinhaltet auch wieder Freiheit und Kreativität: Wenn man mit der Schippe in der Hand dasteht und sich überlegt, wie etwas funktionieren könnte und es dann zum ersten Mal fährt und merkt: Das war eine richtig coole Entscheidung. Oder: „Ne, geht gar nicht“, um die Dinger wieder abzureißen. Das ist ein ähnlicher Prozess wie das Lernen von Tricks.

Stürze können schnell richtig übel ausgehen. Wie gehst du damit um, hast du manchmal Angst?

Vor einigen Jahren hatte ich noch weniger Respekt vor der Sportart. Dann habe ich mir drei Jahre in Folge zweimal das linke und einmal das rechte Handgelenk gebrochen. Wenn ich zurückdenke, waren das immer Situationen, in denen mich mein Körper eigentlich vorher gewarnt hat. Deswegen achte ich jetzt besser auf meinen Körper, er sagt mir, was richtig ist. Angst habe ich nicht, aber wesentlich mehr Respekt. Ich fühle wirklich in mich rein, ob es der richtige Zeitpunkt für einen Trick ist, ob ich in der Form bin, mein Bestes zu zeigen, ein Risiko einzugehen oder nicht.

Du ernährst dich vegan, betreibst Ausgleichssportarten und hast einen Mental-Coach … In anderen Radsport-Disziplinen nicht ungewöhnlich. Wie sieht das beim Slopestyle aus – bist du da eine Ausnahme?

Unsere Sportart ist relativ jung und es gibt keine festgelegten Trainingsprogramme. Man muss sich alles mehr oder weniger selbst erarbeiten. Unter anderem deshalb habe ich angefangen, Sport zu studieren. Darüber bin ich auch zum Mental-Training gekommen. Ich kann es nur jedem empfehlen, weil es wirklich etwas bringt. Natürlich ist das von Fahrer zu Fahrer unterschiedlich, in wie weit man in den Prozess einsteigen will, sich selbst zu optimieren.

Beim Snowboarden ist Slopestyle eine olympische Disziplin – hast du den Eindruck, Mountainbike Slopestyle wird als Disziplin noch nicht ernst genug genommen?

Ich sehe da ziemlich viel Potenzial. BMX ist immer so ein wenig ein Vorreiter für uns und jetzt auch olympisch. Mal abwarten, wie es bei denen läuft, aber für die Zukunft wäre es natürlich ein toller Erfolg, wenn Mountainbike Slopestyle olympisch würde, weil es die Sportart noch besser in den Fokus rücken kann.



Du studierst Sportwissenschaft. Hast du berufliche Pläne, denkst du schon an die weitere Zukunft?

Slopestyle ist mein Leben. Ich sitze seit etwa 15 Jahren jeden zweiten Tag auf dem Rad. Toll wäre es natürlich, wenn ich die Jugend fördern könnte. Ich gebe jetzt schon ab und zu Kurse bei mir oder auf dem städtischen Pumptrack und habe Sachen für Kids gebaut. Wenn die Sportart irgendwann tatsächlich olympisch wird, würde es mir sehr viel Spaß machen, Athleten zu begleiten. Es kommen ja jetzt schon viele Profi-Fahrer zu mir auf das Grundstück, um neue Sprünge zu lernen. Mit Freunden zu fahren, aber gleichzeitig auch eine Entwicklung mit ihnen durchzumachen und sich gegenseitig zu pushen, das finde ich super.

Mein Studium führt mich aber auch in die Richtung, Athleten nach Verletzungen wieder zu ihrem Leistungsniveau zurückzubringen. Das hat mir selbst immer gefehlt. Man bekommt vielleicht gesagt: Nach einem Bruch musst du sechs Wochen chillen und dann darfst du wieder aufs Rad. Das war’s dann aber oft. Mountainbiken ist so eine intensive Sportart und hat so viel Potenzial für den Körper, dass ich denke, man könnte auch in therapeutischer Sicht viel mehr daraus machen.

Und woran arbeitest du gerade, worauf bereitest du dich vor?

Irgendwie hat mir die Pandemie eine neue Freiheit gegeben. Vorher waren die Contest-Vorbereitungen ein sehr großer Teil meines Fahrens. Da keine Wettbewerbe stattfinden konnten, hat sich das ein bisschen geändert und ich fahre mehr nach Gefühl. Mal schauen, wohin es mich treibt. Ich bin frei und habe Spaß am Radfahren und das genieße ich einfach.

Wer jetzt neugierig geworden ist oder im Chesyland vorbeischauen möchte, kann Max auf Instagram folgen.